Auch in diesem Jahr gab es eine Theateraufführung des Literaturkurses der Q1. Diese Aufführungen haben mittlerweile eine glorreiche Tradition bei uns. In die, so viel vorweg, reihte sich die diesjährige Inszenierung nahtlos ein; ja- sie ragte sogar ein wenig hinaus!

Gegeben wurde das Dürrenmatt-Stück „Die Panne“, was sich als ausgesprochener Glücksfall erwies. Es handelt sich um eine urkomisch-witzige und daher unterhaltsame Geschichte über einen Handelsvertreter, der aus Zufall in die Fänge pensionierter Juristen gerät. Die machen sich einen Heidenspaß daraus, am liebsten am „lebenden Material“, also mit leibhaftigen Angeklagten, Rechtsfälle als Spiel zu konstruieren. Allerdings bleibt es nicht beim Spiel, jedenfalls nicht für die Angeklagten. 4 Jahre Zuchthaus gelten schon als Erfolg der Verteidigung und auch weitaus drastischere Strafen sind möglich, wie bei jeder unbedachten Äußerung des Angeklagten das feine Lächeln des pensionierten  Henkers unmissverständlich anzeigt. Wie mag es da unserem Vertreter ergehen? Wird er überführt? Und wenn ja: Wessen? Die Bühne ist bereitet, diese und andere Fragen zu klären.

Alfredo Traps (nomen est omen (trap = engl. Falle) t(r)appt in eine Falle nach der anderen, die der Staatsanwalt ihm stellt. Anwalt Kummer rauft sich die Haare vor Kummer über die Unbedarftheit seines Klienten und das Publikum leidet mit, wenn Traps sich ein ums andere Mal im fein gesponnenen Netz der bösartigen Verdrehungen und Unterstellungen des Anklagevertreters verfängt und es ihm einfach nicht dämmern will, dass es mitnichten um einen feucht-fröhlichen Herrenabend, sondern um blutigen Ernst geht. So ganz langsam, still und leise ändert sich aber dann doch sein Ton, seine Mimik und Gestik. Anfänglicher Angeberei und pseudo-weltmännischer Attitüde weicht mehr und mehr und macht erst Unbehagen und dann Verzweiflung Platz, die in Selbstkasteiung gipfelt.

Niklas Odendahl als Alfredo TrapsNiklas Odendahl als Alfredo Traps (Foto: SNO)

Spielen kann man das nur mit komödiantischem Talent und es ist ganz erstaunlich, wie subtil Niklas Odendahl die Stimmungen wechselt und dem Text passenden Ton und Gestalt verleiht. Traps ist anfänglich ein unsympathischer Jedermann. Mit seinen immer wieder angedeuteten sexuellen Eskapaden und seinem krankhaften Ehrgeiz, mehr zu sein, macht er sich beim Publikum (und wohl auch der Jury) unbeliebt. Niklas aber versteht es dann ganz ausgezeichnet, Traps als bemitleidenswertes Opfer von Willkür, Zufall und Gemeinheit zu zeigen, sodass der Zuschauer ein echtes Identifikationsangebot bekommt. Dies kann Theater sehr viel besser als nicht inszenierte Literatur und es ist eine großartige Leistung von Niklas alias Alfredo, die Figur derart zu beleben.

Pri Yan Rama Divrik gibt einen sehr zornigen Staatsanwalt ZornPri Yan Rama Divrik gibt einen sehr zornigen Staatsanwalt Zorn (Foto: SNO)

Pri Yan Rama Divrik verkörpert Kurt Zorn, den zornigen, bissigen Staatsanwalt. Auch hier kommt wahre Freude auf, denn die fies-lauernde Gemeinheit, mit der er die Figur anlegt, macht einfach Spaß. Mal bedächtig-feingeistig vor sich hin monologisierend, mal triumphierend-aufbrausend agiert der Schauspieler und gibt der Figur etwas Dunkel-Mephistophelisches, was von sehr viel Talent und Empathie zeugt. „Den möchte man nicht zum Feind haben“, denkt sich jedenfalls der Betrachter, weil die Angriffslust so echt wirkt.

Ihre großen Auftritte haben auch die drei anderen Hauptakteure, die nicht nur sehr überzeugend und textsicher Handlung und Figuren spielen, sondern Stimmungen und Emotionen vermitteln. Richter Berge (Linus Rudolph) zerbirst förmlich vor Freude, wenn das Urteil anliegt und sein Prozess zu einem krönenden Abschluss kommt. Anwalt Kummer alias Ulf Heyer sollte prüfen, ob er sich patentrechtlich seine Mimik schützen lassen kann, mit der er Entsetzen und ungläubiges Staunen artikuliert. Herrlich. Wie auch Kenan Ahmetagic als Henker Pilet. Ein wahrer Freund der Arbeit, über den wir herzhaft lachen können oder besser: mit dem wir lachen können, denn seine strahlende Freude, endlich wieder die Sense wetzen zu können, ist wahrhaft ansteckend. Und dann bleibt, wie in einer guten Dürrenmatt-Inszenierung immer, einem das Lachen im Halse stecken, denn es ist natürlich höchst makaber und außerdem erkauft mit der Not eines anderen, die man selbst jederzeit erleiden kann; wie es der Zufall so gerade will. Ein sehr hübscher Einfall der Regie war es, Simon Schmitz als Dienerin Simone (in der Novellen-Vorlage ist es tatsächlich eine Frau) zu reaktivieren. Simon hatte viel schöne Auftritte auf den BvS-Bühnen und passt perfekt ins Ensemble. Mit zunehmender Spielzeit kontrastiert sein steigender Grad der tapsigen Betrunkenheit, mit der er seinen Dienst verrichtet, mit der zunehmenden Verzweiflung Alfredos immer stärker; ein interessanter Einfall der Regie, mit dem Spannung, Chaos und Tempo immer weiter gesteigert werden.

Dem eigentlichen Stück vorangestellt ist eine abstrakte Reflexion des Autors über das Wesen der Dichtkunst im Allgemeinen.

MonologLena, Niklas, Berfin & Pri sind: Dürrenmatt! (Foto: FRI)Dem Rezensenten kam und kommt diese Form der Selbsterklärung, die Dürrenmatt auch in anderen Texten abgibt, immer ein wenig befremdlich vor. Wozu das? Dazu gäbe es einiges zu sagen, hier allerdings geht es um eine Theaterkritik und nicht um eine Literaturkritik. Und theatertechnisch wurde ja auch diese Hürde gekonnt genommen. Für Lena Sopha, Berfin Cicek, Niklas und Pri, die sich zu viert die Rolle des empirischen Autors Dürrenmatt teilten, war das zwar eine durchaus undankbare Rolle, denn zu spielen gibt es hier wenig, nur zu sprechen. Im Grunde handelt es sich um einen beinahe 8minütigen Monolog. Es spricht aber sehr für die jungen Schauspieler, dass das Publikum „bei der Stange“ blieb und ihnen folgte.

Eine Theaterproduktion ist mehr als die Summe ihrer Teile aber umgekehrt gilt auch: Die einzelnen Gewerke müssen stimmen. Und das taten sie; trotz der nach wie vor schwierigen Rahmenbedingungen für die Theaterarbeit an der BvS. Bühnenbild, Requisiten, Ton, Licht, Maske, Souffleusen: In tagelanger Detailarbeit wurde unter Leitung Stefan Schnorrs ausgebildet, geprobt und verbessert. Herzlichen Dank dir, Stefan, und dem gesamten Kurs für dieses künstlerische Highlight zum Schuljahresende. Es hat großen Spaß gemacht! 

 
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