Kein Ausflug ins frühe 20. Jahrhundert! Aber ein kurzes Nachdenken darüber, warum unsere Namensgebung heute noch goldrichtig ist!
"Bloß keine Beerdigung mit Reden, Schmuck und all dem. Ich sterbe wie ich gelebt habe: Als Freigeist." Unabhängig, selbstbestimmt, kämpferisch! Bertha von Suttner ist bekannt als sehr frühe Tierschutzaktivistin, Schriftstellerin, Frauenrechtskämpferin und natürlich Pazifistin. Und doch eine Frau, die der großen Liebe wegen Reißaus aus der Heimat nimmt und ihre Familie verlässt. Ein frühes Aussteigerpaar. Historische Abrisse zu Leben und Werk gibt es im Internet viele; wir verweisen ausdrücklich auf die Phoenix-Dokumentation bei You Tube.
In ihrem berühmt gewordenen Roman "Die Waffen nieder" zeigt sie die grausame Fratze des technologisch immer abgefeimteren Krieges mit all seinem Leid und seiner moralischen Verkommenheit. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau, die sich auf die Suche nach ihrem Mann macht, der im deutsch-französischen Krieg vermisst wird. Sie erlebt im Kriegsgebiet grauenhafte Szenen; allesamt an die Realität angelehnt, die die junge Autorin aus Recherchen kannte. Ihr Resümee: "Ich habe es zu spät erkannt, daß der Schlachteneifer nichts Übermenschliches, sondern – Untermenschliches ist; keine mystische Offenbarung sondern eine Reminiszenz aus dem Reich der Tierheit – ein Wiedererwachen der Bestialität.“ Der Roman wurde in 20 Sprachen übersetzt; einer der erfolgreichsten europäischen Bücher der damaligen Zeit, der sie allerdings von ihrer Familie weiter entfremdete.
"Die Waffen nieder" also! Bis vor 2 Jahren hätten das die allermeisten Menschen dem Wortsinne nach unterschrieben, auch wenn es immer schon erstaunlich viele geduldete Waffen auf den Straßen und in den Arsenalen der Staaten gab, ohne dass dem ernsthaft etwas entgegengesetzt worden wäre. "Die Idee zählt" könnte man dem aber entgegen, wenn man die Namensgebung unserer Schule vor knapp 30 Jahren trotzdem rechtfertigen wollte. "Für Frieden eintreten ist immer gut und in einer Schule kostet das ja auch nichts." Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine geht der Zeitgeist eine andere Richtung und ganz andere Positionen haben Konjunktur. Die radikale Friedensidee ist in Verruf geraten, auch wenn bereits Bertha den Spott ertragen musste, den das konsequente Eintreten für Frieden und Ausgleich mit sich bringt. "Friedensbertha" war noch die harmloseste Diffamierung.
Berthas Prophezeiung, dass Krieg wie die Sklaverei eines Tages abgeschafft werde, hat sich auch 110 Jahre nach ihrem Tod - übrigens kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges - nicht bewahrheitet, so dass wir uns heute noch mit ihrem Lebensthema auseinanderzusetzen haben. Und zwar in etwa so: Welche Antworten zur Bewältigung unserer akuten Krisen hätte diese mutige, entschlossene und kluge Kämpferin für den sozialen Fortschritt wohl gegeben? Wäre sie für Waffenlieferungen in die Ukraine eingetreten? Welche Impulse hätte sie geben können für ein gerechteres, inklusives gesellschaftliches und schulisches Umfeld? Wie hätte sie den Zusammenhang zwischen schulischer Bildung und praktischem Lebenvollzug zu Zeiten einer bedrohlichen Klimakrise gedacht? Fragen, die einer lebhaften Diskussion bedürfen. Sicher, der geschichtliche Kontext ihres Lebens war ein anderer als der heutige. Die Anliegen eines gedeihlichen, friedlichen und gerechten Miteinanders sind aber vergleichbar. Bertha von Suttner in diesem Sinne zu befragen... das macht ihre Aktualität und großen Wert für unsere Schule aus.