Köln – Paris – St Aubin – Paris – Köln. Das waren die Stationen einer zweitägigen Exkursion des Physik-Leistungskurses der Q2 an der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule. Hauptziel war St Aubin bei Paris, da dort der Teilchenbeschleuniger SOLEIL liegt. Dort arbeitet Herr Dr. Kubsky, der gemeinsam mit der Kurslehrerin, Frau Heiermann, in Bochum Physik studiert hat und sich bereit erklärt hat, die Gruppe persönlich durch den Beschleuniger zu führen. Diese Gelegenheit konnte sich der Leistungskurs natürlich nicht entgehen lassen...
Ein wichtiges Nebenziel war aber verständlicherweise auch das Zentrum von Paris. Am Ankunftstag gab es eine Stadtführung: Sacré-Coeur, Notre-Dame, Louvre, Place de la Concorde, Arc de Triomphe, Eiffelturm.
In dem Leistungskurs werden Schülerinnen und Schüler der drei städtischen Oberstufen (Leibniz-Gymnasium, Bettina-von-Arnim-Gymnasium, Bertha-von-Suttner-Gesamtschule) gemeinsam unterrichtet. Hier sieht man (von rechts) Cornelia, Ravuth, Amina, Niklas, Matthias und Philipp, der anstelle des wegen eines wichtigen Vorstellungsgespräches leider verhinderten Nils mit dabei war, mit Frau Heiermann und Herrn Gündogdu, Referendar an der BvS, vor der Basilika Sacré-Coeur.
Hier ging es los zur einer über achtstündigen Besichtigungstour. Dann ab in die Metro zur Innenstadt, weiter zu Notre-Dame über den Pont-Neuf mit einer sehr, sehr vollen Seine.
Oh ja: Alle waren auch IM Louvre! Ohne Mona-Lisa, die in Frankreich "La Joconde" heißt, ging es nicht.
Vom Place de la Concorde ging mit der Metro zum Place de l'Étoile und dann viele Treppen hoch auf den Arc de Triomphe, von dem man einen sehr schönen Blick auf den Eiffelturm, das erleuchtete Paris (oben) und das Verkehrschaos des Place de l'Étoile (unten) hat. Vor dem Aufstieg auf den Arc de Triomphe gab es wie auch an allen anderen Sehenswürdigkeiten strenge Sicherheitskontrollen mit Taschenkontrollen, Durchleuchten und allem Drum und Dran - wie am Flughafen. Das war etwas nervig, aber es war günstig, dass Januar war und Donnerstag, denn es war überall verhältnismäßig leer.
Nach dem Eiffelturm waren alle müde und hungrig. Daher ging es zurück zum Hotel und in der Nähe in einem Steakhaus zum Abendessen. Hier lernten alle die verschiedenen Stufen des Durchbratens - oder besser gesagt des Nicht-Durchbratens - der französischen Küche kennen. "Bleu" wollte nur Matthias sein Steak haben. Das ist ein Steak, das im Prinzip die Pfanne nur mal von weitem gesehen hat... Nun ja. Er fand's gut.
Am Morgen mussten dann alle um kurz nach Sieben aus dem Hotel und wir fuhren mit dem Regionalzug RER B nach St Aubin. Dort wurde die Gruppe von Herrn Dr. Kubsky in Empfang genommen und er führte uns sofort über das Gelände ins Hauptgebäude, in dem sich auch ein Modell des Synchrotrons befindet. Dort gab es den ersten Überblick über die Anlage: 354m Umfang hat der sogenannte Speicherring, der im Modell (unteres Bild) als zweiter Ring von außen gut zu sehen ist. Vom Speicherring gehen die Untersuchungslabore ab, die Beamlines. Im Modell sind neun dargestellt, in Wirklichkeit gibt es 29 solcher Labore am SOLEIL.
2,75 GeV Energie haben die Elektronen, die im Speicherring kreisen. GeV bedeutet "Gigaelektronenvolt" und beschreibt eine Energie. Ein Elektron, das 1eV Energie hat, bewegt sich bereits mit einer Geschwindigkeit von etwa 600 Kilometern pro Sekunde (!). Diese hier haben mehr als ein Milliarden mal so viel Energie. Sie werden in dem geraden Stück (LINAC), das links neben der Hand zu sehen ist, vorbeschleunigt auf etwa 0,1 GeV, dann in dem kleineren ovalen Ring (BOOSTER) auf 2,75 GeV gebracht. Im Klartext heißt das, dass diese Elektronen fast Lichtgeschwindigkeit haben. Wer das nachrechnen möchte, muss relativistisch rechnen. Das geht nicht mehr mit den Formeln der klassischen Physik. Ziel dieses Synchrotrons ist, dass diese schnellen Elektronen durch Beschleunigungsprozesse das für die wissenschaftliche Forschung so wichtige Synchrotronlicht produzieren sollen. Es geht NICHT darum, Teilchen kollidieren zu lassen, wie es z.B. das CERN tut.
Herr Dr. Kubsky erläutert die Funktionen der einzelnen Bestandteile des Beschleunigers. Hier lernen wir auch, dass es wichtig ist, dass der Speicherring kein Kreis, sondern ein Vieleck ist. Gerade Stücke sind notwendig, um in sogenannten Undulatoren, die dort platziert werden, kleine Schlängelbewegungen der Elektronen produzieren zu können, die ein besonders intensives Synchrotronlicht bewirken. Es wird auch gut erklärt, warum die beschleunigten, sehr schnellen Elektronen überhaupt Licht aussenden. Das hat - kurz gesagt - mit Deformationen des elektrischen Feldes bei Richtungsänderung der Elektronen zu tun. Und die oben erwähnten Schlängelbewegungen sind nichts anders als Richtungsänderungen und Richtungsänderung ist Beschleunigung. Daher der Name "Teilchenbeschleuniger".
Durch diese Lichtabstrahlung verlieren die Elektronen permanent an Energie, die ihnen immer wieder zugeführt werden muss. Für Fachleute: Im Speicherring findet nur noch relativistische Massezunahme der Elektronen statt. Sie gewinnen kaum mehr an Geschwindigkeit. Anschließend gehen wir über den Speicherring und besichtigen drei Beamlines, in denen z.B. die Faltung von Proteinmolekülen untersucht wird.
Da stehen den Schülern bekannte Formeln: Die Bragg-Reflexion (rechts zu sehen) spielt hier eine ganz große Rolle. Die de Broglie-Wellenlänge (unten rechts) ist auch kein Fremdwort mehr. Und ganz links noch eine Bekannte: Die Darstellung von Elektronenübergängen zwischen den Energieniveaus atomarer Zustände.
Hier erkennt man gut einen Ausschnitt des Speicherrings. Die rote Linie kennzeichnet die Flugbahn der Elektronen. Links erkennt man eine abgehende Beamline. Erste Frage von Herrn Dr. Kubsky war denn auch, in welche Richtung die Elektronen denn hier fliegen würden. Das war leicht für die Schülerinnen und Schüler zu beantworten: Im Uhrzeigersinn, da die Beamlines in dieser Richtung tangential vom Speicherring abgehen. Verdeckt ist der Speicherring mit Betonplatten, die abnehmbar sind, falls große Geräte, wie z.B. die Magnete, die für die ganzen Beschleunigungen notwendig sind, hineingebracht werden müssen. Herr Kubsky berichtet, dass es mehrere JAHRE (!) dauerte, bis alle Magnete im Speicherring korrekt ausgerichtet waren. Jetzt darf die Temperaturschwankung im Speicherring nur maximal 0,1°C sein, damit die Wärmeausdehnung die auf Mikrometer genaue Ausrichtung nicht zunichte macht. Auch in der Halle gilt: Je weniger Temperaturschwankung, desto besser. Die Halle ist daher ebenfalls klimatisiert.
Solche Apparaturen stehen überall. Alufolie? Ja, Alufolie! Sie dient der besseren Wärmeverteilung und der Konzentration der Wärme um die Vakuumkammern, die mit Hilfe von Heizbändern ausgeheizt werden müssen.
Ebenfalls überall gegenwärtig: Flaschen mit flüssigem Helium. Kühlen, kühlen, kühlen ist angesagt. Der Anblick veranlasst Herrn Dr. Kubsky zu dem nicht ganz ernst gemeinten Hinweis, ein echtes Labor sei nur dann ein wahrhaft echtes Labor, wenn flüssiges Helium dort zu finden sei.
Interessant sind dann auch die Besuche bei den drei Beamlines, die wir uns gewünscht hatten. Unten z.B. bei DISCO, wo wir gerade ein Blick auf Seeigelstacheln werfen. Auf deren atomare Struktur, besser gesagt. Desweiteren wird hier untersucht, welche Faktoren für die Art der Faltung von Proteinmolekülen eine Rolle spielen.
Nach der Besichtigung der Beamlines - hier vor der Beamline DIFFABS - gehen wir in die ausgezeichnete Kantine und essen zu Mittag. Anschließend zeigt uns Herr Dr. Kubsky den Kontrollraum, der heute im Prinzip leer ist: Alles läuft wie am Schnürchen, daher muss hier kaum jemand sein.
Zum Abschluss der sechsstündigen Tour gehen wir dann mit Herrn Dr. Kubsky in sein Labor für Oberflächenphysik. Hier sehen die Schüler nicht nur ein Rastertunnelmikroskop sondern auch etwas ganz Neues, das noch in der Entwicklung ist: Ein "Atomic Force Microscope", das nicht wie ein Rastertunnelmikroskop auf den Tunneleffekt von Elektronen, somit auf Stromfluss, setzt, sondern wirkende van-der-Waals-Kräfte nutzt. Das hat den Vorteil, dass die Materialprobe nicht elektrisch leitend sein muss, eine Einschränkung, die beim Rastertunnelmikroskop besteht.
Oben das Rastertunnelmikroskop und hier wird verglichen, wie seine Funktionsweise auf verschiedenen Wikipediaseiten erklärt wird: Deutsch, Französisch, Englisch. Sehr interessant! Die Deutschen sind da nicht auf dem Spitzenplatz: Definitiv zu kompliziert!
Ein Blick in das Atomic Force Microscope. Es ist selbstentwickelt und hat bereits eine Auflösung von 10 nm (10 milliardstel Meter) erreicht. Das sind ungefähr 100 Atomdurchmesser. Es ist aber noch mehr drin! Besonders haarig ist die exakte Positionierung der Probe, die analysiert werden soll. Sie muss auch gedreht werden können, um mehrere Seiten analysieren zu können, und das mit einer Genauigkeit von Nanometern!! Daran wird unter anderem noch gearbeitet. Es könnte sich also lohnen noch einmal wieder zu kommen.
Klar lohnt sich das noch einmal wieder zu kommen! So oder so. Hier stehen wir sehr zufrieden in Herrn Dr. Kubskys Lobor am Rastertunnelmikroskop. Was für ein Tag! Unser herzlicher Dank gilt besonders Herrn Dr. Kubsky, der uns sechs Stunden seiner Zeit geschenkt hat, um uns die Forschung des Synchrotrons SOLEIL näher zu bringen. Das ist ihm gelungen! Voll und ganz! Im Gegenzug äußert er sich auch begeistert zu Cornelia, Amina, Ravuth, Matthias, Niklas und Philipp: Sie wüssten schon so viel und könnten jederzeit zu einem Schnupperpraktikum wiederkommen. Vielleicht kommt ja der eine oder die andere von ihnen auf das Angebot zurück!
Fotos: B. Heiermann, N. Thiel